Partnerkirchgemeinde Munkacs

Seit 1992 gibt es nun schon die Partnerschaft zur Reformierten Kirche in Munkacs in der Westukraine.

Über die Jahre hat sich das Miteinander durch regelmäßige Besuche zwischen unseren beiden Kirchgemeinden entwickelt und vertieft.

Regelmäßig unterstützen wir die Kirchgemeinde durch Spendenaktionen.

Neuigkeiten

Im Februar 2024 brach erneut ein Hilfstransport aus dem Kirchspiel Radeberger Land und der Kirchgemeinde Tharandt-Fördergersdorf nach Munkács auf. Marcus Schreiner berichtet von der Reise, den Begegnungen und seinen Eindrücken.

Nach nur kurzer Vorbereitung und einer schnellen Sammelaktion haben wir erneut einen Transport nach Munkács gefahren. Diesmal waren wir nur zu zweit und hatten ob der kurzen Vorlaufzeit nur 1,5 t Hilfsgüter im Auto. Die kamen aus unserer Gemeinde, von der Schule in Grumbach und vor allem aus der Gemeinde Radeberg, die ja die Partnerschaft mit angenommen hat. Immer dabei ist eine gute Portion Gottvertrauen, denn man weiß nie, was passieren wird, Schwierigkeiten auf dem Weg, Unwägbarkeiten an der Grenze, gefährliche Straßen ob der vielen Schlaglöcher und nun der Krieg.
Der Weg war wieder über Polen gewählt, weil es einfach 200 km weniger sind als über Ungarn. Das lief gut und die Hohe Tatra präsentierte sich optisch von ihrer weißen Zuckerseite. In der Slowakei entschieden wir uns für den kleineren der zwei möglichen Grenzübergänge, was eine kluge Idee war. Dort gab es keine Schlange und trotz etwas Überlast (eigentlich sind dort nur 1000 kg Hilfsgüter pro Auto erlaubt) konnten wir nach schon drei Stunden in die Ukraine fahren. Natürlich war dieser Grenzübertritt wieder ein Schauspiel mit vielen Papieren, Stempeln, Naturalabgaben an die Zöllner (Kommentar dazu in Munkács: das war schon immer so und hat sich nicht geändert!) und Wartezeit, aber die Laune war allseits durchweg gut (es gab sogar Kaffee und Apfelsinen). Im Land fuhren wir erstaunlicherweise über eine schlaglochfreie Straße (zumindest im ersten Abschnitt) und kamen gut gegen 21 Uhr nach 15 Stunden Fahrt an.
Die Begrüßung war wie immer sehr herzlich und alles war schnell ausgeladen. Diesmal waren zwei Besonderheiten dabei: Windeln – es gibt viele bettlägerige alte Menschen, und Gummistiefel. Diese waren für die Gemeinde der Sinti und Roma bestimmt. Wer schon einmal dort gewesen ist, weiß, warum bei häufigem Regen Gummistiefel eine gute Idee sind. Unsere Freunde meinten, die Leute dort konnten nicht zur Kirche kommen, es sei denn sie wären geschwommen. Einen Tag nach unserer Abreise waren die Stiefel schon verteilt.
Der Abend brachte zum leckeren Essen einige Gespräche. Es war eine große Dankbarkeit in der Gemeinde spürbar – dass jemand an sie denkt und auch noch hinkommt. Wir sind fast die letzten Kontakte außerhalb Ungarns, die die Gemeinde noch hat. Die Hilfsgüter sind wichtig, aber für die Menschen ist der direkte Kontakt fast wichtiger. Jemand interessiert sich für sie, hört ihnen zu und sieht ihren Alltag – der so anders ist als bei uns.
Für uns brachten die Gespräche manch neue Einsicht. Der Krieg ist weit weg und in der Stadt sowie in der Gemeinde sind alle wieder zum fast normalen Leben zurückgekehrt, zumindest an der Oberfläche. Luftalarme sind rar, was innerhalb des Landes auch zu Neiddebatten führt (Warum werdet ihr nicht angegriffen?). Junge Männer gibt es aber kaum – entweder sind sie geflohen oder verstecken sich zu Hause oder sind an der Front. Eine kleine Lücke ist momentan die Arbeit in der Schule (Lehrer müssen noch nicht kämpfen), in Reparaturwerkstätten der Armee oder beim Straßenbau (Der wird als wichtig und unabkömmlich eingestuft). Die Frauen sind unter der Oberfläche in ständiger Sorge und Vorsicht, ob die Männer werden bleiben können. In der Gemeinde werden trotzdem kleine Arbeiten angegangen. Letztes Jahr wurde das Kirchendach repariert, dieses Jahr wurden die Emporen gestrichen. Eine Gedenktafel wurde aufgehängt für den ersten reformierten Bischof nach der Angliederung der Region an die Tschechoslowakei 1922, der sich sehr um die Gemeindeorganisation unter den neuen Rahmenbedingungen verdient gemacht hatte. Momentan wird die Außentoilette hinter der Kirche renoviert und umgebaut. Hoffnung, dass es besser wird. Im Gottesdienst sind durchschnittlich 80 Frauen und 20 Männer (bei einer Gesamtgemeindegröße von < 1000). Die Männer, die noch da sind, trauen sich nicht zu kommen oder bewegen sich in der Stadt ausschließlich im Auto. Deswegen wird jeder Gottesdienst live im Internet übertragen – so können alle mitfeiern. Auch die
simultane Übersetzung ins Ukrainische hat große Bedeutung, weil die Ungarn weniger werden, es aber von Ukrainern Interesse an der Gemeinde gibt. So wird sie kleiner, schwindet aber nicht gänzlich.
Nach einer geruhsamen Nacht und endlich mal ausschlafen nach so einer Tour konnten wir am sonnigen Morgen einen Spaziergang durch die Stadt machen. Wir bekamen eingeschärft, keinesfalls den Pass zu vergessen. Wer im Alter zwischen 18 und 60 ist und bei einer Kontrolle durch Militärstreifen ohne triftige Gründe oder freistellende Papiere angetroffen wird, wird zur Armee eingezogen. Einem ehemaligen Kind aus dem Kinderheim ist das passiert – dann kam er an die Front, hat nun zerschossene Beine und liegt im Krankenhaus. Wir trafen keine Streife, sahen aber eine Gedenkwand für die bereits gefallenen Männer und Frauen aus der Stadt. Beispielhafte Fotos, denn die Gefallenenzahlen sind eines der bestgehüteten Geheimnisse des Landes.
Man sieht auf der Straße viele Menschen, die sichtlich nicht aus Munkács stammen – sehr elegant und, worauf uns unsere Freunde hinwiesen, mit sehr teuren Hunden (anders als der gemeine kurzbeinige Munkácser Straßenköter), Geflüchtete aus den großen Städten und aus dem Osten. Es sind weniger, da viele zurückgegangen sind – aber die, die jetzt noch da sind, die bleiben. Auch das führt zu gefühlten Ungerechtigkeiten. Diese Menschen werden von den Militärstreifen nicht behelligt. Grund: „die reden ohnehin russisch und an der Front laufen sie bei erstbester Gelegenheit über, die nützen uns in der Armee nix.“ Klingt nicht nach geeinter Bevölkerung. Die derzeitige Meinung in Munkács zum Krieg ist auch: die Russen haben viel mehr Leute, die sie in den Krieg schicken, den können wir nicht gewinnen. Die von uns, die kämpfen wollten, sind schon an der Front oder tot. Die, die jetzt eingezogen werden, wollen nicht kämpfen – wie sollen wir mit denen gewinnen? Im Gegensatz zu früheren Besuchen sieht man in der Stadt und an den Straßen kaum noch Plakate, die für die Armee werben – dafür umso mehr für Schönheitskliniken und kosmetische Zahnärzte.
Unser kleiner Gang führte auch in Geschäfte, um ein paar Kleinigkeiten für die Kinder zu besorgen. Die Läden sind voll, es gibt alles zu kaufen – aber natürlich mit erheblich gestiegenen Preisen. Neuerdings gibt es Supermarktketten aus Kiew, die teilweise 50 % Rabatt auf Lebensmittel anbieten (die Handelsspanne bei Lebensmitteln ist normalerweise 2-3 %). Da wundern sich manche, andere sagen: „Nu, ist halt eine Geldwaschmaschine.“ Auffällig war auch, dass viele Geschäfte und Tankstellen neue Namen hatten und die altbekannten kaum noch zu sehen waren. Kommentar dazu: „Nu ja, wenn man ein Geschäft neu eröffnet, bekommt man Steuererleichterung. Dann nutzt man die bis sie ausläuft, macht zu, hängt dem Geschäftsnamen einen Buchstaben an und eröffnet als ‘völlig neue Firma’. Grund für neue Steuererleichterungen. So läuft das.“
Nach diesem schönen und erhellenden Spaziergang fuhren wir wieder nach Hause. Grenze nur eine Stunde (na ja, leeres Auto, gibt nix zu kontrollieren) und nach 12 Stunden wieder zu Hause. Diesmal ausgesprochen wenig erschöpft und sehr dankbar für den guten Verlauf und die vielen Eindrücke der wenigen Stunden.
So Gott will und wir leben (und Munkács dann nicht in einer russischen Provinz liegt) wollen wir gen Herbst erneut aufbrechen.