Ein Weihnachtsgeschenk im Gefängnis

Zum Ökumenischen Gottesdienst am Buß- und Bettag haben wir die Kollekte für die Aktion „Ein Weihnachtsgeschenk im Gefängnis“ gesammelt. Stolze 725€ sind dabei zusammengekommen. Eine Ehrenamtliche unserer Kirchgemeinde begleitete die Aktion und teilt mit uns ihre Erfahrungen vom Weihnachtsbesuch im Dezember in der JVA Dresden:

„So etwas gab es noch nie!“ meldete mir die Gefängnispfarrerin zurück.
Am 18.12.2023 fand die Aktion statt. Circa 30 Ehrenamtliche aus verschiedenen christlichen Kontexten verteilten die kleinen Geschenke an die circa 780 Gefangenen der JVA Dresden. Im Päckchen enthalten: etwas Schokolade, eine Grußkarte der Gefängnisseelsorge, ein bisschen Kaffee, ein Bienenwachsteelicht (die einzige genehmigte Kerze im Jahr) und ein selbstgebastelter Stern! Und auch bei den Sternen war dieses Jahr ein neuer Rekord zu verzeichnen: Über 1000 handgebastelte Exemplare kamen bei der Pfarrerin an – so ist bereits ein Grundstock für 2024 gelegt.

Diese Aktion ist für mich jedes Jahr etwas Besonderes. Sie gehört für mich zum Advent dazu. Mit gemischten Gefühlen durchschreite ich jedes Jahr die vielen Hochsicherheitstüren, laufe an Gittern und Stacheldraht vorbei:
Was und wer wird mich erwarten? Wird es gefährlich? Über was kann ich mit den Gefangenen sprechen?
Nach einer kurzen Einweisung und Belehrung werden die Hafttüren aufgeschlossen. Zelle für Zelle, nacheinander. Es ist möglich 1:1 mit den Insassen zu sprechen. Mal findet nur ein kurzes Gespräch statt, manchmal verhindern Sprachbarrieren einen tieferen Austausch. Doch eins ist unübersehbar: Die Freude und das Staunen darüber, dass sich Menschen Zeit für sie nehmen. Dass es Menschen gibt, die für sie basteln, die sie besuchen, die für sie spenden. Und jedes Jahr gibt es Begegnungen, die mich tief berühren.

Ein Mann erzählt mir , dass er eigentlich Muslim ist und dennoch Weihnachten feiert. Er schaut mich an: „Juden, Christen, Muslime – das macht für mich alles keinen Unterschied. Wir sind eins, wir haben unserern einen Gott – nur in verschiedenen Sprachen.“
Die Einrichtung einer 3er- Zelle überrascht mich besonders. Mit einfachen Mitteln haben sich die Gefangenen einen Herrnhuter Stern selbst gebastelt und an ihre Lampe gehängt. Ein kunstvoller kleiner Weihnachtsbaum, hergestellt aus Pappe, steht auf dem Tisch. Freudig begutachten die drei Häftlinge die gebastelten Sterne in den Geschenkttüten und stellen schon Überlegungen an, wie sie diesen nachbasteln können.
Ein weiterer Mann erzählt mir, dass er in den nächsten Tagen entlassen wird, wenn alles gut geht. Ich verspreche, an ihn zu denken.

Nach den Besuchen treffen sich alle Ehrenamtlichen zu einem Austausch. Ein älterer Herr meldet zurück: „So viele dankbare, freundliche Gesichter wie heute, habe ich das ganze Jahr nicht gesehen.“ Die Pfarrerin bittet uns, die Gefangenen nicht zu vergessen. Für sie zu beten, das Thema mit in die Gemeinde zu tragen.

Diese Aktion kommt an, nicht nur bei den Gefangenen, sondern auch bei mir. Noch lange werden die Geschichten und Gesichter in meinen Gedanken auftauchen.
Zum Abschluss singen wir wie immer „Macht hoch die Tür“. An keinem anderen Ort berührt mich dieses Lied so sehr, wie auf dem Hammerweg.